Presseaussendung 23.11.2020
50 Jahre Grundsatzerlass Sexualpädagogik!
PSB: Sexualpädagogik an Schulen wird 50, und ist nun durch die Pandemie erschwert
Wien (OTS) – Die Plattform Sexuelle Bildung feiert das 50-jährige Bestehen der Sexualpädagogik als Unterrichtsprinzip. Am 24. November 1970 veröffentlichte das Bundesministerium für Unterricht und Kunst den Erlass „Sexualerziehung in den Schulen“ (Rundschreiben Nr. 193/1970). Damit wurden Schulen erstmals explizit beauftragt, Sexualität ganzheitlich zum Thema zu machen, und nicht nur biologisches Wissen zu vermitteln. Der Vorstand der Plattform Sexuelle Bildung zeigt sich jedoch auch besorgt. „Dem Recht der Jugendlichen auf sexuelle Bildung wird unter den momentanen Einschränkungen nicht entsprechend nachgekommen. Ein Großteil der Jugendlichen könnte um einen für ihre Entwicklung zentralen Bildungsbereich umfallen.“ Elif Gül, Vorstandsmitglied der Plattform Sexuelle Bildung.
Auch während der Pandemie besteht das Recht aller Kinder und Jugendlichen auf Wissen und Information zu Sexualität, sowie auf Schutz vor sexualisierter Gewalt und Diskriminierung (vgl. Sexuelle und Reproduktive Menschenrechte, IPPF 1994 bzw. 2008).
Viele sexualpädagogische Vereine haben sich an die neue Situation angepasst, und bieten bereits Online-Lösungen mit interaktiven Tools an, die anstatt der Präsenz-Workshops genutzt werden können.
„Sexuelle Bildung spielt eine wesentliche Rolle für die Prävention sexualisierter Gewalt. Je besser Kinder und Jugendliche Bescheid wissen, desto eher können sie Grenzverletzung erkennen und benennen und sich Hilfe holen. Sexualpädagogik vermittelt ein Basiswissen, um Situationen einschätzen zu können, und eigene Bedürfnisse und Grenzen wahrnehmen und kommunizieren zu können“. Stefanie Rappersberger,Vorstandsmitglied der Plattform Sexuelle Bildung.
Schulische Sexualpädagogik soll die Entwicklung von Kompetenzen fördern, die notwendig sind, um verantwortungsvoll und selbstbestimmt mit sich und anderen umzugehen. Doch obgleich diese Aufforderung schon seit 50 Jahren gilt, findet Sexualpädagogik nicht so umfassend statt, wie nötig wäre, um die sexuelle Entwicklung an das jeweilige Alter angepasst entsprechend zu begleiten. Daher gilt es neben der Lehrer*innenbildung auch die Ressourcen für die Arbeit externer Sexualpädagog*innen an Schulen auszubauen. Der Bedarf und das Interesse der Schulen ist vorhanden, doch es fehlt an finanziellen Mitteln. Seit der Einführung des Unterrichtsprinzips wurden zahlreiche sexualpädagogische Vereine und Fachstellen gegründet, die Expertise aufgebaut haben und wichtige Arbeit leisten. Diese gilt es zu würdigen und weiterzuentwickeln – dafür braucht es Finanzierung.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es wichtig ist, die sexualpädagogische Arbeit auszuweiten: Schulen haben Bedarf an Beratung, interner Fortbildung und Unterstützung bei der Entwicklung von sexualpädagogischen und gewaltpräventiven Konzepten.
Die zunehmende Professionalisierung der Sexuellen Bildung leistet essentielle Beiträge für Persönlichkeitsbildung, Gesundheitsbildung, Schutz vor Diskriminierung, und Prävention von Gewalt, und trägt damit wesentlich zur Sicherung der Kinderrechte bei. Ihr sollen nun endlich auch die Ressourcen zukommen, die nötig sind, um den Grundsatzerlass in allen Schulen entsprechend umzusetzen.
Rückfragen & Kontakt:
Elif Gül, MSc
Plattform Sexuelle Bildung
06602190759
plattform@sexuellebildung.at
sexuellebildung.at
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Presseaussendung 17.02.2020
Positive Entwicklungen für die Sexualpädagogik
Plattform Sexuelle Bildung begrüßt die Beauftragung des Österreichischen Instituts für Familienforschung mit der Erstellung von Akkreditierungskriterien
Wien (OTS) – Die Plattform Sexuelle Bildung begrüßt ausdrücklich die Beauftragung des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) durch das Bildungsministerium mit der Erstellung von Akkreditierungskriterien für externe sexualpädagogische Vereine, die an Schulen tätig sind.
Nach einem Nationalratsantrag der ÖVP/FPÖ-Regierung im Sommer 2019 war die Arbeit von sexualpädagogischen Vereinen an Schulen in Gefahr. Die Aufnahme eines Akkreditierungsverfahrens in das neue Regierungsprogramm stellt eine positive Entwicklung dar. Mit dem Auftrag an den ÖIF wird einer langjährigen Forderung sexualpädagogisch tätiger Personen und Institutionen nach Professionalisierung entsprochen. Den renommierten Forscher und international anerkannten Experten Dr. Olaf Kapella hierfür zu engagieren, spricht für die Ernsthaftigkeit, mit der das Ministerium das wichtige Thema der Qualitätskriterien aufgreift. Dem Bereich der Sexualpädagogik die notwendige überparteiliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit und Ressourcen zu schenken, liegt im Interesse aller Beteiligten.
Eltern, Schulen, Lehrkräfte, wie auch professionell arbeitende Vereine profitieren von einer transparenten, an internationalen Kriterien orientierten Qualitätssicherung. Allen voran profitieren Kinder und Jugendliche selbst, deren Recht es ist, hochwertige, altersadäquate und gewaltpräventive sexualpädagogische Wissens- und Kompetenzvermittlung flächendeckend angeboten zu bekommen.
Die Plattform Sexuelle Bildung steht in gutem Kontakt mit Dr. Kapella und ist erfreut über die Kooperation. Wir wünschen uns weiterhin eine ernsthafte und wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung der Politik mit der sexuellen Bildung.
Link zur Presseaussendung
Einladungsmail für externe Anbieter vom Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung
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Presseaussendung 24.6.2019
Breite Allianz sieht Sexualpädagogik an Schulen gefährdet
Wien (OTS) – „Kinder und Jugendliche brauchen externe Sexualpädagogik von professionellen AnbieterInnen, die nach wissenschaftlichen, nicht ideologischen Kriterien geschlechtersensibel Wissen zu selbstbestimmter Sexualität, Beziehung, Körperlichkeit und sexueller Gesundheit (etwa Verhütung) vermitteln und einen nichtdiskriminierenden wertschätzenden Zugang zu diesen Themen bieten“, heißt es in einem Statement der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Sie zählt über 100 Mitglieder, darunter zahlreiche kirchennahe Vereine sowie die Berufsverbände von Psychologie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Antworten auf ‚peinliche‘ Fragen
„Jugendliche sind dankbar für Workshops, in denen sie völlig frei über ihre ganz intimen Fragen mit ExpertInnen sprechen können. Vielleicht auch gerade deshalb, weil sie danach wieder weg sind. So fällt es leichter, auch ansonsten ‚peinliche‘ Themen anzusprechen. Professionelle und ernsthafte Sexualpädagogik begleitet Kinder und Jugendliche in ihrer psychosexuellen Entwicklung – externe ExpertInnen sind dabei ein Baustein von vielen, ein wichtiger“, so Elke Prochazka, Projektleitung der SeXtalks 2.0 und langjährige Psychologin bei Rat auf Draht.
„Qualitätsvolle Sexualpädagogik sieht eine Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrpersonen und externen Fachkräften vor, welche von Schulen hinzugezogen werden können und Fachexpertise mitbringen. In Sexualpädagogik-Workshops bekommen Kinder und Jugendlichen altersgemäße Antworten auf ihre Fragen – ohne Leistungsdruck in einem sicheren Rahmen“, so Ines Pazdera, Obfrau der Plattform Sexuelle Bildung.
Knapp 10.000 Unterschriften erreichte die Petition #redmadrüber in wenigen Tagen, zahlreiche ExpertInnen melden sich in Videostatements zu Wort.
Rückfragen & Kontakt:
plattform@sexuellebildung.at, 068184238958
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Presseaussendung 19.6.2019
Sexualpädagogik: Experten warnen vor de-facto-Abschaffung
Experten sehen Kinderschutz und Missbrauchsprävention durch ÖVP-FPÖ-Antrag gefährdet. Folgen wären mehr Teenager-Schwangerschaften und sexuell übertragbare Infektionen
Salzburg (OTS) – „Wir sind hochbesorgt um die psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und ob der Schulautonomie. Warum wird Lehrerinnen die Wahlmöglichkeit genommen? Sollte der Antrag durchgehen, gibt es keine externen Fachkräfte an Schulen mehr. Ein fundamentaler Rückschritt in der Prävention von sexualisierter Gewalt, ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen“, warnt Gabriele Rothuber, Geschäftsführerin der Fachstelle Selbstbewusst.
Jugendliche und Experten befürchten Rückschritt
„Jugendliche wollen intime Fragen zu Sexualität nicht mit der eigenen Lehrerin besprechen, die am nächsten Tag die Schularbeit kontrolliert. Es ist ein Skandal, wenn junge Menschen nun mit ihren Fragen, Ängsten und Unsicherheiten allein gelassen werden. Externe Vereine, für die sich Schulen frei entscheiden können, sind ein wichtiger Bestandteil von zeitgemäßer Aufklärung“, so Jakob Ulrich und Caroline Pavitsits, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung unisono.
„In sexualpädagogischen Workshops entsteht schnell ein vertrauter Rahmen, in dem persönliche Probleme und Fragen besprochen werden können. Über Sexualität zu reden übersteigt für manche Lehrpersonen persönliche Grenzen – das ist auch verständlich, weil ihre Rolle eine andere ist“, so Ingrid Lackner, Leitung des sexualpädagogischen Angebotes Abenteuer Liebe sowie der Stabstelle für Prävention gegen Missbrauch und Gewalt der Katholischen Kirche Steiermark.
Bundesweites Statement und Petition
Das bundesweite Statement wird von zahlreichen Experten und Expertinnen sowie knapp 100 Institutionen und bundesweiten Netzwerken unterstützt. Darunter die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs (PPÖ), die Bundesjugendvertretung/Austrian Youth Council, die Österreichischen AIDS-Hilfen, das Netzwerwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung, SOS Kinderdorf Österreich, die Fachstelle NÖ für Suchtprävention und Sexualpädagogik, das Netzwerk sexuelle Bildung Steiermark, das Ehe- und Familienzentrum Feldkirch – und viele mehr.
Nächste Woche soll der umstrittene Antrag im Unterrichtsausschluss behandelt werden. Anfang Juli könnte der Ausschluss von Sexualpädagogik-Vereinen aus Schulen mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ in einer Sondersitzung des Nationalrats beschlossen werden. Die bundesweite Initiative startete heute eine Petition, um das zu verhindern unter dem Titel #redmadrüber: Initiative für eine qualitätsvolle Sexualpädagogik.
Weiterlesen:
Petition #redmadrüber
Rückfragehinweis:
Plattform Sexuelle Bildung, plattform@sexuellebildung.at, 068184238958
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Presseaussendung 14.5.2019
ExpertInnen fürchten um die Qualität der Sexualpädagogik in Österreich
Gespräche mit dem Ministerium dringend erforderlich
Wien (OTS) – Per Erlass kündigte das Bildungsministerium im März Clearingstellen zur Überprüfung von Sexualpädagogik-Vereinen an, nachdem der ultrakonservative Verein Teenstar für Aufregung sorgte. In Zukunft soll ein eigener Akkreditierungsrat die Zulassung an Schulen regeln. Nun melden sich sexualpädagogische Vereine, Institute und Fachstellen in einem offenen Brief an Bundesminister Heinz Faßmann gemeinsam zu Wort. Sie fürchten, dass falsche Informationen und moralisierende Inhalte weiterhin an Schulen verbreitet werden können, wenn sexualpädagogische Fachexpertise nicht berücksichtigt wird. „Nur wenn Expertinnen und Experten einbezogen werden, kann die Qualität der sexuellen Bildung für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder zu selbstbestimmten Erwachsenen sichergestellt werden“, so die VerfasserInnen des Briefes.
„Die Kontrolle von fragwürdigen Vereinen wie Teenstar ist zwar gut, Geld für die Professionalisierung der Sexualpädagogik wäre aber besser“, ist Barbara Rothmüller, Sexualpädagogin und Vorstandsmitglied der Plattform Sexuelle Bildung, überzeugt. „In den letzten Jahren versucht die Bildungspolitik verstärkt Standards einzuführen und hat teilweise den Blick für die Bildungspraxis verloren“, sagt Rothmüller, die als Soziologin auch zu Bildungsreformen forscht. Das zeige sich auch in der Sexualpädagogik. „Wenn vor Ort – im Kindergarten, im Hort, in der Schule – die Kompetenz der Sexualpädagoginnen und -pädagogen so hoch geschätzt und nachgefragt wird, warum findet diese Fachkompetenz nicht Berücksichtigung bei der Gestaltung bildungspolitischer Maßnahmen?“
Professionalisierung in der Sexualpädagogik
Sexualpädagogische Fachkräfte begrüßen eine fachliche Debatte über die Qualität der sexuellen Bildung in Österreich: „Wir finden es sehr gut und wichtig, dass das Bildungsministerium genau hinschaut, wenn an Schulen nicht professionell gearbeitet wird“. Kontrollen alleine seien jedoch zu wenig, kritisieren Vereine sowie universitäre Expertinnen und Experten im Offenen Brief. Sie fordern die Einbindung sexualpädagogischer Expertise bei der Entwicklung von Qualitätskriterien und neuen Steuerungsformen. „Zu professionellen Kompetenzen gehören soziale Fähigkeiten, die man nicht in einem Kriterienkatalog vorschreiben kann, sondern die man in der Praxis als Sexualpädagogin und -pädagoge lernen muss. Das braucht Zeit und Geld, weshalb die Vereine und Expertinnen und Experten mehr Geld für Weiterbildung, Supervision und Forschung fordern. Sexualität zu dramatisieren oder sogar zu tabuisieren ist dabei nicht zielführend“, sagt Rothmüller und verweist auf internationale Forschungen, die zeigen, wie mit Körperidealen, intimen Beziehungen und Sexualität im Handlungsfeld Schule pädagogisch reflektiert umgegangen werden kann. „Kinder und Jugendliche brauchen eine kompetente Begleitung ihrer psychosexuellen Entwicklung – und dafür gibt es ausgebildete Spezialistinnen und Spezialisten in Österreich, nämlich Sexualpädagoginnen und -pädagogen, die auch Elternarbeit leisten und Lehrpersonen fortbilden“.
http://sexuellebildung.at/offener-brief-an-bundesminister-heinz-fassmann/