Presseaussendung 14.5.2019

ExpertInnen fürchten um die Qualität der Sexualpädagogik in Österreich

Gespräche mit dem Ministerium dringend erforderlich

Wien (OTS) – Per Erlass kündigte das Bildungsministerium im März Clearingstellen zur Überprüfung von Sexualpädagogik-Vereinen an, nachdem der ultrakonservative Verein Teenstar für Aufregung sorgte. In Zukunft soll ein eigener Akkreditierungsrat die Zulassung an Schulen regeln. Nun melden sich sexualpädagogische Vereine, Institute und Fachstellen in einem offenen Brief an Bundesminister Heinz Faßmann gemeinsam zu Wort. Sie fürchten, dass falsche Informationen und moralisierende Inhalte weiterhin an Schulen verbreitet werden können, wenn sexualpädagogische Fachexpertise nicht berücksichtigt wird. „Nur wenn Expertinnen und Experten einbezogen werden, kann die Qualität der sexuellen Bildung für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder zu selbstbestimmten Erwachsenen sichergestellt werden“, so die VerfasserInnen des Briefes.

„Die Kontrolle von fragwürdigen Vereinen wie Teenstar ist zwar gut, Geld für die Professionalisierung der Sexualpädagogik wäre aber besser“, ist Barbara Rothmüller, Sexualpädagogin und Vorstandsmitglied der Plattform Sexuelle Bildung, überzeugt. „In den letzten Jahren versucht die Bildungspolitik verstärkt Standards einzuführen und hat teilweise den Blick für die Bildungspraxis verloren“, sagt Rothmüller, die als Soziologin auch zu Bildungsreformen forscht. Das zeige sich auch in der Sexualpädagogik. „Wenn vor Ort – im Kindergarten, im Hort, in der Schule – die Kompetenz der Sexualpädagoginnen und -pädagogen so hoch geschätzt und nachgefragt wird, warum findet diese Fachkompetenz nicht Berücksichtigung bei der Gestaltung bildungspolitischer Maßnahmen?“ 

Professionalisierung in der Sexualpädagogik

Sexualpädagogische Fachkräfte begrüßen eine fachliche Debatte über die Qualität der sexuellen Bildung in Österreich: „Wir finden es sehr gut und wichtig, dass das Bildungsministerium genau hinschaut, wenn an Schulen nicht professionell gearbeitet wird“. Kontrollen alleine seien jedoch zu wenig, kritisieren Vereine sowie universitäre Expertinnen und Experten im Offenen Brief. Sie fordern die Einbindung sexualpädagogischer Expertise bei der Entwicklung von Qualitätskriterien und neuen Steuerungsformen. „Zu professionellen Kompetenzen gehören soziale Fähigkeiten, die man nicht in einem Kriterienkatalog vorschreiben kann, sondern die man in der Praxis als Sexualpädagogin und -pädagoge lernen muss. Das braucht Zeit und Geld, weshalb die Vereine und Expertinnen und Experten mehr Geld für Weiterbildung, Supervision und Forschung fordern. Sexualität zu dramatisieren oder sogar zu tabuisieren ist dabei nicht zielführend“, sagt Rothmüller und verweist auf internationale Forschungen, die zeigen, wie mit Körperidealen, intimen Beziehungen und Sexualität im Handlungsfeld Schule pädagogisch reflektiert umgegangen werden kann. „Kinder und Jugendliche brauchen eine kompetente Begleitung ihrer psychosexuellen Entwicklung – und dafür gibt es ausgebildete Spezialistinnen und Spezialisten in Österreich, nämlich Sexualpädagoginnen und -pädagogen, die auch Elternarbeit leisten und Lehrpersonen fortbilden“.

http://sexuellebildung.at/offener-brief-an-bundesminister-heinz-fassmann/

Rückfragehinweis:

Dr. Barbara Rothmüller

Plattform Sexuelle Bildung

Mail: barbara.rothmueller@sexuellebildung.at

Tel: 0681 84238958